(30.11.19, 175-Jahr-Jubiläum der Offziersgesellschaft Zug, Casino Zug)
Es ist mir eine grosse Ehre, dass ich Ihnen heute – als Landammann und Offizier – die besten Wünsche und Grüsse und den grossen Dank der ganzen Zuger Regierung überbringen darf. Dieser Dank ist nicht gekünstelt, dieser Dank ist nicht aufgetragen, dieser Dank kommt aus Überzeugung und er kommt aus tiefstem Herzen.
Der Zuger Regierungsrat ist heute zu fünft und damit beschlussfähig anwesend – wenn Sie also noch irgendwelche Anträge an die Regierung haben, dann ist heute sicher kein schlechter Zeitpunkt.
Und nicht nur als Landammann, sondern auch als Offizier freut es mich ganz besonders, dass uns die Kantonsratspräsidentin, nach der GV der Offiziersgesellschaft vom Januar bereits wieder beehrt. Auch das ist ein starkes politisches und persönliches Zeichen, das wir alle sehr, sehr schätzen. Ganz herzlichen Dank, liebe Monika.
Sehr geehrter Herr Divisionär, Sie kennen unsere Region und unsere Kantone bestens, ich bin mir sicher, dass Sie mit mir einig gehen: So viel politische Unterstützung für die Armee wie im Kanton Zug gibt es nur in sehr, sehr wenigen Kantonen. Stimmt’s?
Vielleicht ist das so, weil wir uns als freiheitlicher, kleiner und weltoffener Kanton mehr als andere Kantone bewusst sind, dass es ohne Freiheit und Sicherheit auch keinen Wohlstand und ohne Wohlstand auch keine Wohlfahrt geben kann (vielleicht ist uns insbesondere der letzte Punkt klarer als anderen) – und dass es eben am besten ist, wenn wir für diese Freiheit und für diese Sicherheit persönlich Verantwortung tragen.
Damit habe ich jetzt schon ein wenig vorgegriffen auf das, was noch kommt.
Liebe Offiziere, sehr geehrte Damen und Herren, zwei Fragen hat uns General Guisan am Ende des Zweiten Weltkriegs mit auf den Weg geben. Zwei Fragen, die wir uns als Schweizerinnen und Schweizer immer wieder stellen müssen: Erstens, ob wir uns verteidigen wollen. Und zweitens, ob wir uns verteidigen können. Diese zwei Fragen sind so wichtig, dass sie perfekt in den Rahmen einer Jubiläumsrede passen.
Mit dem Wollen ist es so eine Sache. Eine paradoxe Sache. Jeder Mensch, der in seinem Leben mindestens ein Buch oder eine Zeitung gelesen hat, weiss, dass sich in der ganzen Geschichte der Menschheit Krieg und Frieden immer abgewechselt haben – und dass sich Krieg und Frieden in der Geschichte der Menschheit immer wieder abwechseln werden. Das Terrain für Krieg wird immer wieder neu bereitet. Ob aus einer naiven oder berechnenden Haltung heraus, spielt im Ergebnis keine Rolle: Homo homini lupus.
Aus diesem Grund wollen die Schweizerinnen und Schweizer eine Armee.
1989 unter dem Eindruck des Mauerfalls etwas weniger krachend als erwartet, 2001 – diesmal nach 9/11 – fuhr die GSoA dann eine riesige Niederlage ein, als sich 78 % der Schweizerinnen und Schweizer für die Armee aussprachen, oder auch 2013 als 73 % der Schweizerinnen und Schweiz nichts von der Abschaffung der Wehrpflicht wissen wollten, im Kanton Zug waren es gar 78 % der Bevölkerung. Ich weiss nicht, wer bei der GSoA für die Kommunikation zuständig ist, aber der oder die muss einen ganz guten Draht zu vielen Journalistinnen und Journalisten in der Schweiz und beim Schweizer Fernsehen haben. Besser kann man Niederlagen auf jeden Fall ganz sicher nicht vermarkten.
In Tat und Wahrheit wollen die Schweizerinnen und Schweizer eine Armee und sie wollen eine Milizarmee, die Abstimmung über die Wehrpflicht hat das deutlich gezeigt.
Warum ist es mit dem Wollen dann eine paradoxe Angelegenheit? Weil eben immer weniger junge Schweizer tatsächlich Militärdienst leisten wollen – und da machen die jungen Zuger keine Ausnahme. Von einem durchschnittlichen Jahrgang Stellungspflichtigen leistet am Schluss nur jeder zweite Dienst bei der Armee. Ein Fünftel ist von Anfang an untauglich. Gut 10 % geben dem Zivildienst den Vorzug, im Verlauf der Zeit wechseln dann noch weitere Armeeangehörige in den Zivildienst.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich werde hier nicht die Zivildienstleistenden gegen die Soldaten ausspielen und selbstverständlich leisten auch Zivilschützer einen wertvollen Beitrag für unsere Sicherheit.
Ein Blick auf die Zuger Zahlen zeigt, dass wir jedem jungen Zuger, der einen Dienst leistet, sehr dankbar sein müssen. Und wir sind es!
Aber wenn wir eine Armee wollen, weil wir wissen, dass wir eine brauchen, weil wir den Mensch und seine Geschichte kennen, dann müssen wir auch den Mut haben und die Rahmenbedingungen schaffen, die es braucht, damit diese Armee alimentiert werden kann.
Lächerlich ist es, der Armee fehlende Attraktivität vorzuwerfen. Seit wann ist es attraktiv, sich auf einen Krieg vorzubereiten? Diese Instrumente sind beschränkt, obwohl es sicher sinnvoll ist, bei der Entschädigung für den Dienst in der Armee und zum Beispiel bei den Ausbildungsgutschriften noch einmal hinzuschauen, ob es da nicht noch etwas mehr Spielraum geben könnte.
Weniger zielführend ist es in meinen Augen, wenn die jungen Offiziere für uns die Kohlen aus dem Feuer holen sollen, indem sie an den Kantonsschulen fürs Weitermachen Werbung machen müssen, nur weil die Politik auf dem Schlauch steht.
Die erste Frage, ob wir eine Milizarmee wollen, kann also mit einem klaren JA beantwortet werden. Was mehr und mehr fehlt, sind die Soldaten. «Stell Dir vor, es ist Krieg – und keiner geht hin»: Sie können sich sicher noch an diesen Aufkleber der Friedensbewegung erinnern. Der Denkfehler besteht darin, dass sich dort, wo das demokratisch legitimierte Gewaltmonopol nicht mehr durchgesetzt wird, dass sich dort nicht der ewige Frieden, sondern die ewige Unordnung, Willkür und Gewalt einstellt. Und das wollen wir nicht.
Und damit bin ich, sehr geehrte Damen und Herren, bei den Rahmenbedingungen und der zweiten Frage angelangt, die uns General Guisan auf den Weg mitgegeben hat: Können wir uns verteidigen?
Mit der Weiterentwicklung der Armee wurden und werden seit 2018 fünf wichtige Pflöcke eingeschlagen, um das Fundament der Schweizerarmee wieder zu stärken: Die Kaderausbildung als Herz der Milizarmee. die Verankerung in den Regionen als Seele der Milizarmee, die Mobilmachung als Schild der Milizarmee, die Vollausrüstung als Schwert der Milizarmee und eine geregelte Finanzierung als Blut der Milizarmee.
Ja, auch aus der Tatsache, dass wir mit Bundesrätin Viola Amherd eine Frau der Mitte an der Spitze des VBS haben, jetzt, wo wichtige Beschaffungen anstehen, auch davon verspreche ich mir viel für die Armee. Ich hoffe ganz fest, sie hat Sitzleder, ich könnte es mir bei der bodenständigen Walliserin vorstellen.
Dass der Armeebestand zu klein ist, um das anspruchsvolle Leistungsprofil über eine längere Zeit und auf sich allein gestellt erfüllen zu können, daran bestehen in Fachkreisen und Offizierskreisen nur wenig Zweifel, man redet darüber – die einen etwas mehr hinter vorgehaltener Hand, die anderen etwas offener.
Aber wir kennen das ja aus den Übungen: wenn man als Kommandant alle Mittel hat für die perfekte Lösung, dann hat der Übungsleiter etwas falsch gemacht. Wichtig ist, dass wir dranbleiben. Wichtig ist, dass wir vielleicht noch etwas mehr taktieren, als einfach nur «Hier, verstanden!» zu sagen. Die Linke macht es uns ja täglich vor, wie taktieren in der Armeepolitik geht. Politik ist immer die Kunst des Möglichen – und das gilt auch für die Sicherheitspolitik. Es ist viel möglich.
Unverzichtbar ist, dass wir uns jeden Tag vor Augen halten, dass Politik nicht einfach ist, sondern gemacht wird. Politik wird gemacht, sie wird nicht Auserwählten auf Steintafeln übergeben. Politik wird gemacht.
Die Offiziersgesellschaft des Kantons Zug ist ein leuchtendes Beispiel dafür, dass sie sich dessen bewusst ist. In sicherheitspolitischen Fragen werden die bürgerlichen Reihen im Kanton Zug regelmässig und zuverlässig geschlossen. Ich wünsche mir, dass die Zuger Einstellung, die im Hause so schön beginnt, dass diese Einstellung noch etwas stärker leuchten soll im Vaterland.
Also, um auf die Frage zurückzukommen, ob wir uns verteidigen können: Jein, bestenfalls Jein. Im Moment können wir ein anspruchsvolles Leistungsprofil nicht über eine längere Zeit durchhalten. Aber die Ausgangslage mit der Weiterentwicklung der Armee und mit Bundesrätin Viola Amherd an der Spitze der Armee ist gut, dass wir uns in Zukunft wieder besser verteidigen können.
Sehr geehrte Damen und Herren, hochgeachtete Offiziere, lassen Sie mich meine bescheidene Rede mit den Worten von Korpskommandant Philippe Rebord beenden. Korpskommandant Rebord war und ist in meinen Augen einer, der nicht emporgesunken ist, sondern einer, der emporgestiegen ist. Auf mich hat er bei den wenigen Treffen jedenfalls immer einen sehr gradlinigen Eindruck gemacht – wir durften ihn ja 2017 anlässlich unserer Generalversammlung kennenlernen.
Und jetzt zu seinen Worten, die er an der Kommandoübernahme an die Angehörigen der Armee richtete. Er sagte das auf Französisch, aber es ist auch auf Deutsch schön – und es ist auch auf Deutsch richtig: «Liebe Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten, wir brauchen Sie. Wir zählen auf Sie. Ehre dem Geist, der Sie beseelt, Ehre Ihrem Einsatz, Ehre dem Land. Es lebe die Schweiz!