Lorzensaal, Cham

Mesdames et Messieurs, bienvenue dans le canton de Zoug. C’est un grand plaisir pour moi de vous accueillir ici à Cham.

Nous avons actuellement une grande discussion sur les cours de français en Suisse alémanique. Vous pouvez entendre dans mon accent que les résultats des leçons de français dans le passé n’étaient pas meilleurs non plus. Mais, Mesdames et Messieurs, ce n’est pas une raison de paniquer. J’aime me souvenir d’un bon mot du conseiller fédéral Jean-Pascal Delamuraz à ce sujet. Il a dit – à propos de la coopération entre la Romandie et la Suisse alémanique –: On s’entend bien parce qu’on ne se comprend pas. C’est une façon positive de voir les choses.

Sehr geehrte Damen und Herren, ganz herzlich willkommen im Kanton Zug. Es mir eine grosse Freude, dass ich Sie hier in Cham begrüssen darf.

Ja, es stimmt, Zahlen und Statistiken liegen mir als Ökonom sehr am Herzen. Zwei Beispiele aus meiner Arbeit als Bildungsdirektor. Die Zuger Bevölkerung macht etwa einen 70stel der Schweizer Bevölkerung aus. Wenn man das weiss, kann man ohne viel Hintergrundwissen recht schnell voraussagen, wie viel welches Projekt des Bundes oder der EDK den Kanton Zug in etwa kosten wird. Oder nehmen wir die Anzahl Kinder in der obligatorischen Schulzeit. Das sind +/- immer 10 % der Bevölkerung, also 1 % pro Jahrgang. Mit diesem Wissen ausgestattet, kann man zum Beispiel sehr schnell auf den Schulraumbedarf zurückrechnen, Aussagen zur Klassengrösse machen oder auch zum Bedarf an Heilpädagogen, weil in vielen Kantonen jeweils auf 100 Schüler 1,25 Heilpädagoginnen kommen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich werde in meinem kurzen Referat auf einige Themen aus dem Schulumfeld eingehen, wo Daten und Zahlen eine wichtige Rolle spielen.

Was ich immer wieder feststellen muss: Zahlen und Schule vertragen sich nur bedingt. Viel eher macht man sich sehr oft richtiggehend verdächtig, wenn man sich als Zahlenmensch der Schule nähert – jedenfalls auf dieser Seite des Atlantiks. Wer im Rahmen einer Schul- und Bildungsdebatte das Wort «Bildungsökonomie» in den Mund nimmt, gilt im besten Fall als schamlos. Denn nur eine schamlose Person kann es wagen, nach dem Ergebnis der öffentlichen Schule oder nach der Wirkung von Schulunterricht zu fragen. Wer nach Aufwand und Ertrag im Zusammenhang mit unseren Bildungs-ausgaben fragt, gilt sogar als hoffnungsloser Fall. Wenn das Wort Bildung fällt, dann ist es offensichtlich oft schnell vorbei mit kritischem Denken. Ich nenne dies einmal das «Bildungs-Paradoxon». In der Folge werden Wirkungsfragen auch nur sehr selten gestellt, obwohl es wichtige Fragen sind.

Als Stefan Wolter, der Leiter der Schweizerischen Koordinationsstelle für Bildungsforschung SKBF, von der NZZ gefragt wurde, welche Schulreformen in den letzten zwanzig Jahren funktioniert haben, antwortete dieser mit entwaffnender Ehrlichkeit: «Wir wissen es nicht. Es gibt so gut wie keine wissenschaftlichen Studien über ihre Wirkung.» Das ist – mit Verlaub – schon ein bisschen wenig.

Von jedem Franken, den der Kanton Zug und die Zuger Gemeinden ausgeben, fliessen rund 25 Rappen in die Bildung. Und schon ein kurzer Blick über den Tellerrand zeigt, dass es sich in den anderen Schweizer Kantonen ähnlich verhält. Deutlich über dreissig Milliarden Franken investieren Bund und Kantone jedes Jahr in die Bildung – nur für die soziale Wohlfahrt sind es noch mehr. Vor diesem Hintergrund müssen Fragen zur Wirkung der Schule und zur Wirkung von Unterricht erlaubt sein. Davon sind wir noch Lichtjahre entfernt, sagte Stefan Wolter im besagten NZZ-Artikel, und er erwähnte als Ursache den alten Konflikt zwischen empirisch arbeitenden Bildungsforschern zum Beispiel in den USA und den europäischen Erziehungswissenschaftern, die sich als klassische Geisteswissenschafter verstehen.

Etwas Skepsis ist sicher nicht fehl am Platz. Gerade der Blick in die USA zeigt, dass es hochgradig vermessene Schulen gibt, die in Sachen Qualität trotzdem nicht vom Fleck kommen und wo keine Qualitätsentwicklung stattfindet. Daran ist aber nicht die Messung schuld, sondern das, was aus den Ergebnissen gemacht wird.

Mit Blick auf die Schweizer Schulentwicklung trifft der Befund von Stefan Wolter zu: Es wird viel geplant und viel gemacht, aber wenig wirklich überprüft. Mit «überprüfen» meine ich nicht Evaluationen. Evaluationen gibt es tatsächlich viele. Mit Überprüfung meine ich die Antwort auf die Frage, ob diese oder jene Massnahme, diese oder jene Reform tatsächlich im Unterricht ankommt und – wenn sie im Unterricht ankommt – ob sie unsere Schülerinnen und Schüler zu besseren Schülerinnen und Schülern macht.

Rückmeldungen auf Ebene des Gesamtsystems sind interessant, aber helfen im Schulalltag aber nur sehr bedingt. Nehmen wir PISA 2000. Die Schweizer Ergebnisse in Sachen Lesekompetenz waren nur durchschnittlich. Was folgte, war der bekannte «Skandinavien-Hype» mit Pilgerzügen von Bildungswissenschaftlern nach Finnland. Dabei sah man vor lauter Begeisterung für insbesondere das finnische, aber auch die anderen skandinavischen Schulsysteme den wesentlichen Unterschied zwischen den hiesigen und den skandinavischen Verhältnissen nicht, nämlich die Integrationsleistung der Schweizer Vielvölkerschulen. Unsere Schulen haben die doppelten Ausländeranteile wie die Schulen in Norwegen oder Schweden oder gar den fünffachen Ausländeranteil gegenüber dem PISA-Sieger Finnland. Das ist die Realität. Im Kanton Zug reagierte man fast mit operativer Hektik auf das durchschnittliche Leseergebnis: 2002 erliess der damalige Erziehungsrat eine Weisung, dass die Lehrpersonen beim Sprechen und Schreiben ab der ersten Primarklasse auf allen Stufen konsequent und ausschliesslich (inklusive Turnen, Werken etc.) die Standardsprache zu verwenden hätten. Tatsächlich kann man im Kanton Zug heute noch ab und zu Lehrerinnen und Lehrer antreffen, welche sogar auf der Schulreise hochdeutsch sprechen, statt die Mundart zu trainieren, was gemäss Lehrplan 21 eben auch gemacht werden muss. Als sich die Leseergebnisse dann etwas verbesserten, wurde die Hochdeutsch-Weisung schnell als ursächlich dafür ins Feld geführt und man fühlte und fühlt sich gegenüber den «Mundart-Romantikern» bis heute bestätigt. 2012 wiesen dann aber Cattaneo und Wolter nach, dass der allermeiste Leistungszuwachs im Lesen im Rahmen von späteren PISA-Untersuchungen das Ergebnis einer seit dem Jahr 2000 veränderten Schweizer Zuwanderungspolitik war, die mittlerweile die Einwanderung hoch qualifi¬zierter Personen bevorzugte.
Nicht Hochdeutschzwang, sondern eine veränderte Migrationspolitik hat die Schweizer Lesekompetenzen verbessert. 2015 konnten wir dann die Hochdeutsch-Regelung an den Zuger Schulen etwas entschärfen, so dass jetzt im Kindergarten grundsätzlich Mundart und in der Schule grundsätzlich Hochdeutsch gesprochen werden muss. Dabei kam uns, wie erwähnt, auch der Lehrplan 21 etwas zu Hilfe, wo es in den einleitenden Kapiteln zu den Sprachen heisst: «Die Beherrschung von Mundart und Standardsprache ist wichtig für die gesellschaftliche Integration und berufsspezifische Profilierung in der deutschsprachigen Schweiz.»

Etwas verkürzt: Wo Gesamtsysteme getestet werden, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die Qualität nicht dort ankommt, wo sie ankommen muss, nämlich im Schulzimmer. Aus diesem Grund habe ich auch beschlossen, dass der Kanton Zug nicht an den ÜGK-Erhebungen 2020 und 2022 teilnehmen wird. Der Aufwand mag zwar nicht sonderlich gross sein – wobei auch die ÜGK die Schulen und die Bildungsverwaltung durchaus fordert – aber der Ertrag ist schlicht und einfach nicht oder viel zu wenig ersichtlich. Wenn sich das verbessert, machen wir dann auch wieder mit.

Auf der Ebene des Gesamtsystems – wenn ich hier noch eine kleine Klammer aufmachen darf – ist Jugendarbeitslosenquote ein würdiger Indikator für die Funktionalität des Bildungssystems und manchmal wünschte ich mir, auch andere Bildungsakteure würden wieder etwas stärker von dieser Quote auf das rückwärts schliessen, was läuft und nicht läuft in der Bildung. Diese Stimmen hört man noch – Rudolf Strahm ist für mich das beste Beispiel, Mauro Dell’Ambrogio hat das auch hochgehalten –, aber es sind weniger Stimmen geworden, jedenfalls in meinen Ohren.

Natürlich interessieren mich auch die Rahmenbedingungen auf Ebene Schweiz, Kanton und Gemeinden. Diesbezüglich haben die Bildungsberichte 2010, 2014 und 2018 schon viel gebracht. Natürlich interessieren mich auch die Ergebnisse, welche vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen erzielt werden. Diesbezüglich bietet das föderalistische Bildungswesen in der Schweiz Untersuchungsmaterial in Hülle und Fülle.

In diesem Zusammenhang haben wir im Kanton Zug soeben einen wichtigen ersten Schritt gemacht, indem wir – in enger Zusammenarbeit mit der Statistikfachstelle – im Bereich der Mittelschulen vermehrt verlässliche Zahlen erheben, zum Beispiel zum ganzen Übertrittsbereich, der ja eine politisch hochsensible Zone darstellt. Wir haben im Verlauf dieser Arbeit auch schnell herausgefunden, dass sich schweizweite Vergleiche aufgrund der unterschiedlichen Gegebenheiten nur sehr schwer oder mit beschränkter Aussagekraft anstellen lassen. Es wird daher interessanter sein, dass wir uns Partnerschulen suchen, welche unter ähnlichen Bedingungen unterwegs sind wie wir selbst. Diese Partner finden wir am ehesten in der Umgebung. Rahmenbedingungen und die Ergebnisse interessieren also, aber es braucht noch mehr, damit Qualität im Unterricht ankommt. Die Leistungsunterschiede, welche uns aus pädagogischer Sicht am meisten interessieren sollten, welche uns zu den pädagogischen Kernfragen führen, das sind nicht die Leistungsunterschiede zwischen Ländern, Kantonen, Gemeinden oder Schulhäusern, sondern die Unterschiede von Schulzimmertür zu Schulzimmertür innerhalb desselben Schulhauses. Während der dafür notwendige wichtigste Schritt «von der Lehrperson zur Lehrgemeinschaft» im Kanton Zug im Wesentlichen bereits geleistet wurde, muss der Aufbau und die Anwendung von Instrumenten für eine klassenübergreifende Leistungsbeurteilung noch geleistet werden. Nicht um Ranglisten von Schulhäusern und Lehrpersonen zu erstellen, sondern um Erfolgsrezepten auch unter dem Blickwinkel der Leistung auf die Spur zu kommen. Nicht um Lehrpersonen zu bestrafen, sondern um die professionelle Neugier der Lehrpersonen zu stillen, die durchaus wissen wollen, wo ihre Schülerinnen und Schüler klassenunabhängig geeicht stehen. Ein solches Instrument fehlt uns noch im Kanton Zug. Es gibt einen politischen Vorstoss dazu, aber die Scheu vor einem solchen Instrument ist in Schule und Politik gross. Alle fürchten sich vor Rankings und Zuständen wie in den USA. Als nächstes werden wir mit den Schulpräsidentinnen und Schulpräsidenten sowie mit den Rektoren darüber reden. Die Skepsis gegenüber solchen Daten ist gross – immer wieder mit Verweis auf die Verhältnisse in den USA. Es wird also darum gehen, dass wir ein Instrument vorschlagen, das sich voll und ganz in den Dienst der Schulqualität stellt. Ein Instrument, das hilft, die guten und interessierten Lehrpersonen noch besser zu machen. Ein Instrument, das den Schulleitungen dabei hilft, Erfolgsrezepten und «best practice» auch klassenübergreifend auf die Spur zu kommen. An diesem Punkt stehen wir jetzt. Ich hoffe sehr, dass ich die richtigen Worte finden werde, um das Schulumfeld und die Politik für ein solches Instrument zu gewinnen. Ich denke zum Beispiel an geeichte Aufgabensammlungen im Bereich der Primarschule und an einen neuen Umgang mit adaptiven Leistungstests auf der Oberstufe. In der Primarschule sehe ich die Gefahr, dass Tests vielleicht doch vorbe-reitet würden und darunter andere Fächer – zum Beispiel die musischen – leiden könnten. Deshalb sind auf dieser Stufe Aufgabensammlungen wahrscheinlich sinnvoller. In der Oberstufe mit dem Fächerunterricht gibt es diese Gefahr nicht mehr, darum könnten wir dort im Bereich der adaptiven Leistungstests einen weiteren Schritt machen. Ich bin gespannt, was die Zukunft bringen wird.

Wir wollen uns innerhalb des Schulhauses vergleichen und wir wollen uns mit ähnlichen Schulhäusern vergleichen. Und wir wollen daraus Konsequenzen ableiten, welche sich im Unterricht auswirken, weil sich Qualitätsarbeit im Unterricht auswirken muss. Professor Oelkers hat zu dieser «letzten Meile» des Qualitätsmanagements an den Schulen einmal gesagt: Alles, was nicht im Unterricht ankommt, ist verloren. Wir haben in den letzten Jahren viel dafür gemacht, um in den Unterricht vorzustossen: Schulleitungen, Unterrichtsteams, Externe Evaluation… Jetzt stehen wir sozusagen im Türrahmen und machen den letzten Schritt. Ich bin der festen Überzeugung, dass auch Leistungsmessungen – eben klug organisiert – helfen können, den Unterricht an unseren Schulen zu verbes¬sern, weil wir damit der «best practice» besser auf die Spur kommen. Dazu gehört auch, dass wir nicht nur Aufgabensammlungen und Tests bereitstellen, sondern auch das Know-how und die Mittel, damit die Schulleitungen und Lehrpersonen die erhobenen Daten auch nutzen können. Damit komme ich zu meinen Erwartungen an die Fachleute für Statistik.

Unabhängig davon, ob wir Aufgabensammlungen und Tests einführen, führt die Digitalisierung dazu, dass immer mehr Daten rund um die Schule entstehen, verfügbar sind und ausgewertet werden können.
Damit wird der Druck, etwas Schlaues mit diesen Daten anzufangen, steigen. Im Amt für Mittelschulen und Pädagogische Hochschule haben wir, wie erwähnt, einen ersten Schritt gemacht und in Zusammenarbeit mit der Fachstelle für Statistik wichtige Zahlen zusammengetragen und neu dargestellt. Die Fachstelle für Statistik hat ihrerseits eine Analyse anhand der Daten des Schweizerischen Hochschulinformationssystem vorgenommen und die Publikation «Studienverlauf und Studienerfolg von Zuger Maturandinnen und Maturanden» publiziert, die im Kanton in den Schulen und in der Öffentlichkeit gut wahrgenommen wurde. Als nächstes will auch das Amt für gemeindliche Schulen über die Zahlenbücher gehen. Auch das Amt für gemeindliche Schulen wird dabei sehr stark auf Unterstützung durch die Statistikfachstelle angewiesen sein. Diese Unterstützung betrifft nicht nur die Datenaggregation und Darstellung, sondern auch die Interpretation der Zahlen und die Übersetzung in eine Sprache, welche auch Nicht-Statistiker verstehen.

Was erwarte oder erhoffe ich mir von Ihnen ganz konkret? Helfen Sie uns, Daten zu erfassen, Daten auszuwerten und Daten zu interpretieren. Die Digitalisierung der Schule wird zu einem riesigen Anstieg von verfügbarer Information führen. Für die Besteigung dieses Datenbergs braucht die Schule «Datenbergführerinnen» und «Datenbergführer». Die Schule braucht Sie, sehr geehrte Damen und Herren.

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