(9.12.22, Grusswort zur Eröffnung der Veranstaltung «ETH unterwegs»)

Im Sommer habe ich das Buch «Wie wir die Klimakatastrophe verhindern» von Bill Gates gelesen. Zwei Aussagen sind mir besonders geblieben:

1) Wir müssen in Sachen CO2 netto null erreichen. Dafür reicht aber eine Verzichtsplanung nicht. Es braucht auch einen CO2-Abbau.
2) Alle Menschen brauchen Zugang zu billiger und sicherer Energie. Billig und sicher reicht aber nicht, die Energie muss auch sauber sein.

Schon mit diesen zwei Kernaussagen spannt Bill Gates ein immenses Forschungsfeld auf, das genug Arbeit und knifflige Fragestellungen für alle ehemaligen und zukünftigen ETH-Studentinnen und -Studenten bietet. Meine erste Schlussfolgerung lautet daher: Ohne Ingenieurinnen und Naturwissenschaftler können wir die Probleme der Welt nicht lösen.

Während die Politik ums Sollen ringt, beschäftigen sich Ingenieure und Naturwissenschaftlerinnen mit dem Können. Die Politik fragt, was sollen wir gegen den Klimawandel, den Hunger, gegen Krankheiten oder knappe Ressourcen tun? Wie sollen wir es tun? Die Ingenieurin und der Ingenieur fragen, was können wir gegen die Probleme tun, die uns als Menschheit angehen? Meine zweite Schlussfolgerung lautet daher: Es braucht Sollen und Können, es braucht Politik und Wissenschaft, damit wir die Probleme der Welt lösen können.

Als Ökonom und Politiker bin ich ein klassischer Vertreter der Seite, die sich mit dem Sollen befasst. Welche Probleme sollen adressiert werden? Wie sollen die Probleme adressiert werden? Innerhalb welcher Rahmenbedingungen soll das geschehen? Oder reichen Rahmenbedingungen nicht und soll es stattdessen einen grossen Plan geben?

Wer System Change ruft, favorisiert den grossen Plan. Die Probleme der Welt sollen gelöst werden, indem die Marktwirtschaft durch Planwirtschaft abgelöst wird. Pläne sind im Kleinen nicht schlecht. Wir planen – und wenn es nicht funktioniert, machen wir einen neuen Plan. Im Grossen – und ich rede hier von der Ebene der Volkswirtschaft – funktionieren Pläne aber nicht. Planwirtschaftliche Volkswirtschaften sind von Russland über China bis ins heutige Nordkorea, Kuba, Simbabwe und Venezuela allesamt gescheitert. Und warum funktionieren sie nicht? Weil die grossen Pläne und noch viel mehr die grossen Planer keinen Widerspruch dulden.

Wenn wir heute über Klimawandel, Nahrungs- und Energieknappheit reden, wenn wir in diesen Bereichen forschen und nach neuen Antworten, nach neuen Lösungen suchen, dann hat das ganz wesentlich damit zu tun, dass einige kluge und mutige Menschen aufstanden und laut Widerspruch anmeldeten und Einspruch erhoben. Dem sagt man kritische Öffentlichkeit. Einspruch und Widerspruch kann es in Planwirtschaften – weil ja die Idee hinter dem Plan perfekt ist – schon aus logischen Gründen gar nicht geben. Darum gibt es in sozialistischen Ländern auch keine Meinungsfreiheit. Weil es keine braucht, sagten die Sozialisten von Lenin über Mao bis Hugo Chavez. Und darum lautet meine dritte und letzte Schlussfolgerung: Ohne Meinungsfreiheit und Forschungsfreiheit können wir die Probleme der Welt nicht lösen.

Um die Probleme der Welt zu lösen, brauchen wir Ingenieurinnen und Naturwissenschaftler, brauchen wir Politik und Wissenschaft und wir brauchen Meinungs- und Forschungsfreiheit.

Es wird heutzutage schon fast erwartet, dass man an einem Anlass wie heute die jungen Frauen dazu aufruft, Naturwissenschaften oder Ingenieurswissenschaften zu studieren. Appelle gehören zum Leben, aber es gibt etwas Besseres: Heute geht es darum, die Lust auf Naturwissenschaften und Technik zu wecken. Dieser Ansatz gefällt mir besser als Appelle. Nicht nur für die jungen Frauen, sondern für alle. Ich bedanke mich bei der ETH und der Kanti Menzingen und bei allen, die diesen Tag möglich machen von ganzem Herzen. Der Regierungsrat schaut mit Stolz auf die Kanti Menzingen.

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