Ein ganz herzliches Dankeschön an den Messeleiter, Herrn Hirt, dass er Sie so freundlich begrüsst hat. Ich hoffe, er hat niemanden vergessen, denn ich mache es jetzt ganz kurz: Meine sehr geehrten Damen und Herren, herzlich willkommen an der Zebi.

Weil ich selber keine Kinder habe, fange ich meine Ausführungen zur Berufsbildung immer mit dem Hinweis auf die Kinder des Staatssekretärs für Bildung, Forschung und Innovation, Mauro Dell’Ambrogio, an.

Mauro Dell’Ambrogio hat sieben Kinder. Fünf dieser sieben Kinder sind via eine Berufslehre ins Berufsleben gestartet. Ich finde das ein sehr schönes und ein sehr starkes Statement für die Berufsbildung. Und ich erzähle die Geschichte auch immer dann, wenn wieder einmal jemand Angst hat, dass sein Kind nicht ins Gymnasium kommt.

Der Tatbeweis, meine Damen und Herren, kann natürlich nicht nur mit den eigenen Kindern erbracht werden. Dennoch muss aber der Einsatz für die Berufsbildung schon mehr sein als ein politisches Lippenbekenntnis. Ich weiss, damit renne ich bei Ihnen offene Türen ein – aber das tut manchmal eben auch gut.

Sehr gerne überbringe ich Ihnen die besten Wünsche und Grüsse meiner Kollegen der Bildungsdirektorenkonferenz Zentralschweiz – eine Dreierdelegation von ihnen sind heute hier. Wir sind Ihnen für Ihr Engagement für die Zebi sehr dankbar. Die Zebi ist eine Erfolgsgeschichte – Dank Ihnen, meine Damen und Herren. Ganz herzlichen Dank Ihnen allen.

Gestatten Sie mir, dass mich heute mit drei kurzen Gedanken zum Thema Bildung und Berufsbildung an Sie wende. In einem ersten Gedanken möchte ich auf die Chancengerechtigkeit eingehen.

Die Kritik an unserem Bildungssystem ärgert mich immer dann ganz besonders, wenn sie im Mantel der Chancengerechtigkeit daher kommt. Es wird dann behauptet, das Schweizer Bildungssystem mit der mehrgliedrigen Oberstufe und der dafür notwendigen Selektion am Übergang von der Primar- auf die Sekundarstufe I sei ungerecht. Da bin ich entschieden anderer Meinung!

Gerecht ist, meine Damen und Herren, was Chancen schafft. Das ist Chancengerechtigkeit. Und das Schweizer Nebeneinander von Berufs- und Allgemeinbildung schafft sehr viele Chancen für sehr viele junge Frauen und Männer.

Es schafft Grundbildungschancen, Aufstiegschancen, Weiterbildungschancen, Umstiegschancen und vor allem schafft es Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Zu einem Zeitpunkt, an dem viele Schweizer Jugendliche bereits einen Lehrabschluss im Sack haben, stehen in später selektionierenden Systemen – nehmen wir einmal Finnland oder Italien als Beispiel – viele Jugendliche vor dem Nichts. Wo die Kritiker da genau Chancengerechtigkeit sehen, ist und bleibt mir schleierhaft.

In solchen Systemen ist eigentlich – im Vergleich mit der Schweiz – nur eine Chance grösser; nämlich die Chance, schon in jungen Jahren arbeitslos zu werden. Das ist doch die traurige Wahrheit.

Das Schweizer Bildungssystem ist nicht in einem negativen Sinne selektiv, sondern geht auf die Möglichkeiten der Schülerinnen und Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrer schulischen Karriere ein. Wir verbauen keine Wege, sondern schaffen viele verschiedene und individuelle Aufstiegsmöglichkeiten.

Unser Bildungssystem ist gerecht, weil es Chancen schafft. Das ist mein erster Gedanke. Meinen zweiten Gedanken formuliere ich zum Thema «Abschluss und Anschluss».

Die Ausgestaltung von unserem Bildungssystem nach dem Grundsatz “Kein Abschluss ohne Anschluss” ist ein Erfolg. Wenn damit gemeint ist, dass es keine Bildungssackgassen gibt, dann hat dieser Grundsatz meine vollste Unterstützung. Wenn damit aber gemeint ist, dass jeder Abschluss grundsätzlich vorläufig ist, dann bin ich dagegen.

Dann nämlich wird dieser Grundsatz nicht zum Sprungbrett für Menschen mit Potential, sondern zur Tretmühle für uns alle. Das Ziel des lebenslangen Lernens darf nicht darin bestehen, dass das Erreichte, dass der einzelne Abschluss vor lauter Anschlüssen wertlos wird. Wenn das lebenslange Lernen zum Selbstzweck wird, kommen wir am Ende vor lauter lebenslangem Lernen gar nicht mehr zum arbeiten. Das wäre zwar für die “Anschlussindustrie” interessant, aber für die Arbeitnehmer, die Arbeitgeber und die ganze Volkswirtschaft wäre diese Tretmühle schädlich.

Ich erinnere mich an eine Geschichte, die mir im Militär erzählt worden ist. Die Hauptrolle in der Geschichte spielt ein Mann, der später erfolgreich eine grosse Bank geführt hat. Lange vor seinem Aufstieg ins Direktorium ist dieser Mann von seinem damaligen Vorgesetzten auf verschiedene Weiterbildungsmöglichkeiten angesprochen worden, MBA, LLM und wie sie alle heissen mögen.

Der Angesprochene hat aber, fünf Jahre nach seiner letzten Ausbildung, keine Lust gehabt auf eine abermalige Weiterbildung. Deshalb hat er zur Antwort gegeben: «Sagen Sie mir, was ich nicht kann, dann werde ich die entsprechende Weiterbildung besuchen. Aber nur zum Plausch oder weil ich an der Reihe bin, möchte ich lieber keine weitere Ausbildung machen.» Der Mann blieb von dieser Weiterbildungsrunde verschont und setzte seine Karriere trotzdem weiter.

Meine Damen und Herren, «Abschluss mit Anschluss» ist ein hervorragender Grundsatz, aber wir müssen zur Qualität und zum Wert eines jeden einzelnen Abschlusses Sorge tragen – mit echten Inhalten und hohen Anforderungen.

Von Ausbildung zu Ausbildung zu hetzen, das entwertet den einzelnen Abschluss und ist aus volkswirtschaftlicher Sicht falsch. Das ist mein zweiter Gedanke. Und damit bin ich auch schon beim dritten Gedanken. Zum Schluss habe ich mir etwas ganz Konkretes vorgenommen, den Lehrplan 21. Zu diesem Lehrplan gibt es sehr viel Kritisches zu sagen, ich beschränke mich allerdings auf den Aspekt von der Berufswahlvorbereitung.

Aus der ganzen Welt reisen regelmässig Delegationen in die Schweiz, um sich über unsere Berufsbildung zu informieren. Bei den Gesprächen mit diesen Besucherinnen und Besuchern zeigt sich, dass Berufsbildung und Berufswahlvorbereitung zwei Seiten von ein und der gleichen Medaille sind. Auch im Bereich von der Berufswahlvorbereitung leistet die Schweiz Vorbildliches. Und was wir hier erreicht haben, dürfen wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Der Lehrplan 21 macht aber genau das.

In der Zentralschweiz sind wir in der Lage, die Jugendlichen auf einem sehr hohen Niveau zu unterstützen und bei der Berufswahl zu begleiten. Ja, wir orientieren die Jugendlichen nicht nur, wir begleiten sie tatsächlich! Wenn die Berufswahlvorbereitung mit dem Lehrplan 21 kein eigenständiges Fach mit klarer Verantwortlichkeit mehr ist, wird die systematische Berufswahlvorbereitung dem Zufall überlassen.

Kommt dazu, dass die im Lehrplan 21 vorgesehenen 39 Berufswahllektionen einer Halbierung gegenüber der heute in der Zentralschweiz üblichen Lektionenzahl entsprechen. Eine solche Entwicklung wäre in meinen Augen ein massiver Rückschritt und würde der Berufsbildung richtig schaden, während die gymnasiale Maturaquote – Sie ahnen es! – schweizweit weiter steigen würde. Ist man wirklich ein Schelm, wenn man da jetzt Böses denkt?

Es ist deshalb wichtig, dass wir alle den Lehrplan 21 unter dem Gesichtspunkt der Berufswahlvorbereitung ganz genau studieren und dass wir uns alle in diese Debatte einbringen.

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