Gemeindesaal, Steinhausen

Wenn man in den Zuger Gesetzessammlung nach dem Begriff «Landammann» sucht, dann führt das insgesamt zu sieben Treffern. Macht man das Gleiche mit dem Begriff «Regierungsrat», dann führt das zu 357 Treffern, und beim Begriff «Kantonsrat» sind es immer noch 230 Treffer. Ich sage das nur, damit die Verhältnisse gerade von Anfang an klar sind: Die Beiträge des Landammanns sind zwar wichtig, aber überschaubar.

Am meisten kommt der Landammann – neben seinen Repräsentationspflichten – in der Regierung zum Einsatz, wo er den Vorsitz führt, Sitzungen anordnen darf und bei Stimmengleichheit den Stichentscheid hat. Zum Begriff «Stichentscheid» kann ich denn auch schon meine erste Amtshandlung verkünden: Für die Dauer meiner Amtszeit gilt im Regierungsrat und im ganzen Kanton Zug «Stöck, Wiis, Stich»!

Sehr geehrte Damen und Herren

Ganz herzlichen Dank, dass Sie mir heute hier, im schönen Steinhausen eine so grosse Ehre erweisen. Ich weiss: Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber doch ein grosser Schritt für mich. Deshalb freue ich mich ausserordentlich, dass ich diesen Schritt heute Abend mit Ihnen zusammen machen und feiern darf.

Sie kennen alle das Märchen vom Dornröschen. Das ganze Unheil beginnt damit, dass eine Fee nicht ans Taufessen eingeladen wird. Aus diesem Grund möchte ich meine Rede mit einer Entschuldigung eröffnen. Nämlich, dass ich trotz der Grösse des Saals und trotz der Grosszügigkeit der Gemeinde Steinhausen nicht alle Menschen einladen konnte, die das verdient hätten und die ich heute auch sehr gerne bei mir gehabt hätte. Es sind dies viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kantons, aber auch liebe Bekannte aus meinem engeren und weiteren Umfeld hier in Steinhausen und im ganzen Kanton. Wenn Ihnen, liebe Anwesende, irgendwo Unmut oder Befremdung ob der Nicht-Einladung zugetragen wird oder wurde, dann richten Sie bitte meine Entschuldigung aus. Man ist ja immer ein bisschen darauf angewiesen, dass die Leute gut über einen reden – das geht uns allen so. Irgendwo ist einfach Schluss – das weiss jeder, der schon einmal geheiratet oder sonst ein grosses Fest gefeiert hat.

Ich möchte mich nicht nur für Ihr Kommen bedanken, sondern ich möchte mich ganz herzlich auch bei allen Frauen und Männern bedanken, die den heutigen Abend und das heutige Fest hier in Steinhausen überhaupt möglich gemacht haben.

Ein riesiges Dankeschön geht vor allem an die scheidende Steinhauser Gemeindepräsidentin, Barbara Hofstetter, und an den Steinhauser Gemeindeschreiber, Thomas Guntli. Speziell danken möchte ich auch den Steinhauser Vereinen, die sich heute vor und hinter den Kulissen für ein gelungenes Fest einsetzen: Die Musikgesellschaft, der Jodlerklub, der Verein «Salz und Pfiff», der Volleyballclub und das Ensemble der Musikschule. Selbstverständlich danke ich auch allen anderen Frauen und Männer, die heute vor und hinter den Kulissen an dieser Feier im Einsatz sind und bei allen, zum Beispiel auch aus der Bildungsdirektion, die einen Beitrag geleistet haben. Speziell natürlich dem Moderator, Beat Friedli. Ganz herzlichen Dank!

Ein spezieller Dank geht an meinen geschätzten Freund, Kantonsrat Manuel Brandenberg, für seine Worte gerade vorhin. Lieber Manuel, ganz herzlichen Dank für Deine Freundschaft, für Dein Engagement und für Deine Gedanken.

Diese Feier heute Abend gäbe es auch nicht ohne meine sehr verehrten Eltern, die mich auf allen politischen Berg- und Talfahrten begleitet haben – und die mich vor allem auch gelehrt haben, dass Freiheit und Selbstbestimmung nicht vom Himmel fallen, sondern so wichtige Güter sind, dass man sich persönlich dafür einsetzen muss. Und sehr gern schliesse ich in meinen Dank auch meine Partnerin Sarah ein. Ein Regierungsrat ist auf viel Goodwill in seiner Partnerschaft angewiesen – und ich habe mir sagen lassen, dass ein Landammann sogar auf noch mehr Goodwill angewiesen ist.

Liebe Anwesende, mit dem Danken ist es ein wenig wie mit der Fee und der Einladung… Es geht wahnsinnig schnell, und schon hat man jemanden vergessen. Deshalb geht mein letztes Dankeschön an alle, die ich an dieser Stelle vergessen habe oder vielleicht etwas gar stark zusammenfassen musste. Ganz herzlichen Dank Euch allen!

Und jetzt vom Danken zum Gedanken… Gestern Vormittag durfte ich bereits einige Worte an den Kantonsrat richten. Ich habe es mir dabei nicht nehmen lassen, ein Zitat eines Parteikollegen an den Anfang zu stellen: «Keine Lust!»

Ein Magistrat ohne Lust auf sein Amt und seine Aufgaben: Das geht gar nicht… Interessant ist, dass das vor etwas mehr als 2000 Jahren ein grosser Philosoph ganz anders gesehen hat. Für Platon war diese Unlust sogar ein Qualitätsmerkmal eines guten Staatsmanns. Gerade der gute Mensch, den man sich als Staatsmann wünsche, so Platon, könne doch keine Lust darauf haben, sich Tag für Tag mit den Händeln der Menschen abzugeben. Bei Platon ist der wahre Staatsmann daher einer, der seine Aufgaben lustlos erledigt. Sonst sei er nämlich anfällig für Leidenschaften aller Art, was ihn launisch und unberechenbar machen würde. Auf diese Art Lust, die beim Egoismus anfängt und in Leidenschaft und Übellaunigkeit endet, können wir tatsächlich alle verzichten. Sollten Sie mich in den kommenden zwei Jahren einmal als lustlos empfinden, dann hat das nichts mit Politik, aber viel mit Philosophie zu tun.

Ich habe gestern Morgen im Kantonsratssaal deshalb auch nicht meine Lust auf die neue Aufgabe, sondern meine Freude an unserem politischen System und am politischen Streit ins Zentrum gestellt. Ich habe unsere Freude – nämlich die Freude meiner Kollegin und Kollegen in der Regierung und die Freude der Kantonsrätinnen und Kantonsräte – am gemeinsamen Politisieren ins Zentrum gerückt.

Ja, ich freue mich darauf, noch ein bisschen prominenter um die beste Politik für unseren Kanton zu streiten. Ich werde mich nach Kräften dafür einsetzen, dass wir diesen Streit so austragen, wie es unsere Verfassung und Gesetze vorsehen – ohne Abkürzungen und ohne neue Formate. Sondern mit dem Volk als Souverän, mit dem Kantonsrat als gesetzgebende und beaufsichtigende Gewalt, mit dem Regierungsrat, der mit dem Vollzug beauftragt ist – und dies alles unter den Augen unserer Gerichte. Ohne Streit wird das nicht gehen. Und das ist auch richtig so. Streit ist Spannung, Spannung ist Energie. Wo keine Spannung ist, da läuft auch nichts. Was für ein Schulzimmer gilt, gilt auch für die Politik.

Die Versuchung ist natürlich immer da, auf Spannung zu verzichten – nämlich aus Bequemlichkeit. Je besser es uns geht – und es ist der Menschheit noch nie so gut gegangen wie heute –, desto wichtiger ist, dass wir den politischen Streit mit grosser Ernsthaftigkeit führen. Das ist anstrengend. Und die Verlockung ist gross, dass dieser Streit in guten Zeiten – oder in vermeintlich guten Zeiten – ohne die nötige Schärfe oder mit intellektueller Trägheit geführt wird. Dem sagt man dann «politische Wohlstandsverwahrlosung». Die Wahrheit ist aber, dass es nur etwas gratis gibt auf der Welt: nämlich Unsicherheit, Chaos und Armut. Alles andere braucht Arbeit und Anstrengung. Freiheit, Sicherheit und Wohlstand, das sind Kulturleistungen, nicht Naturereignisse. Sie brauchen viel Arbeit.

Und das ist mein erster Gedanke: Nicht Lust haben auf den Streit, aber Freude daran, dass es einen politischen Streit gibt.

Die nächste Frage ist, für was sollen wir streiten und für was sollen wir uns einsetzen?

Ich komme zu meinem zweiten Gedanken: Jeder Depp kann etwas Gutes kaputtmachen.

Darum lautet das erste und wichtigste politische Gebot: Richte keinen Schaden an! «primum non nocere, secundum cavere, tertium sanare»: «erstens nicht schaden, zweitens vorsichtig sein, drittens heilen». So hat das der römische Arzt Scribonius Largus sich und seinen Kollegen ins Stammbuch geschrieben. Der Beitrag der Politik ist es, Regeln aufzustellen, die für alle gelten. Operative Hektik oder Affekte sind da schlechte Ratgeber – obwohl sie immer wieder bemüht werden. Es lohnt sich, für die Behutsamkeit zu streiten. Weil, nochmals: Jeder Depp kann etwas Gutes kaputtmachen.

Damit zu meinem dritten und letzten Gedanken: Freiheit vor Wohlstand!

Ich weiss: das sagt sich leicht, wenn man im Wohlstand lebt. Und mit Blick auf China wird man bis heute ja auch Lügen gestraft. Dort ist es mit einer sozialistischen Marktwirtschaft gelungen, die Armut auf ein nie erwartetes Mass zurückzudrängen. Die Partei ist fest im Sattel und die Zufriedenheit mit ihr gross. Warum auch nicht? Ich frage Sie jetzt nicht, ob Sie in China leben möchten. Ich frage Sie etwas anderes: Wären Sie bereit auf politische Rechte zu verzichten, solange Ihnen der Staat materiell eine bessere Zukunft bietet? Oder noch etwas gemeiner, umgekehrt: Wären Sie bereit, auf Wohlstand zu verzichten, um Ihre politischen Rechte zu sichern?

Freiheit ist mehr als Wahlen und Abstimmungen. Freiheit heisst in erster Linie, dass wir für unser Tun verantwortlich sind und dass wir die Verantwortung für unser Tun übernehmen – und übernehmen wollen. Freiheit heisst, dass der Mensch keine Zentrale braucht, die von der Wiege bis zur Bahre seine Schritte plant und ihm scheinbar den Weg ebnet. Bürokratie ist nur das harmloseste Ergebnis einer solchen Geisteshaltung. Früher oder später macht ein solcher Mensch die Zentrale für alles Mögliche und Unmögliche verantwortlich. Und das völlig zu Recht, weil er gar nie die Chance hatte, wirklich mündig zu werden. Der Mensch braucht Freiheit und Handlungsfreiheit, damit er das Risiko des Lebens selber tragen kann und damit aus dem Wettbewerb der Ideen etwas Gutes entstehen kann – für alle. Zum Beispiel die soziale Marktwirtschaft. Und die Menschheit braucht freie Menschen, wenn wir in unserer Summe eine verantwortungsvolle Menschheit sein wollen.

Geschätzte Damen und Herren,

Ernsthaft streiten, keinen Schaden anrichten und zur Freiheit Sorge tragen. Unter dieses Motto will ich meine zwei Jahre als Landammann stellen.

Diese Website benutzt Cookies, um Ihr Nutzungserlebnis zu verbessern.