Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Mitglieder der Pfadibewegung Schweiz,
meine sehr geehrte Damen und Herren

Ich bedanke mich vorab für die freundliche Einladung an Ihre Delegiertenversammlung und für die damit verbundene Gelegenheit, Ihnen die besten Grüsse des gesamten Zuger Regierungsrates überbringen zu dürfen. Wir wünschen Ihnen eine ebenso erfolgreiche wie auch vergnügliche Delegiertenversammlung hier im schönen Kanton Zug.

Zug versteht sich als lebenswerter Kanton mit starker Wirtschaft, gutem Bildungsangebot, schöner Landschaft, gelebten Traditionen und aktiven, eigenverantwortlichen Einwohnern. Die Zuger Regierung will diesen hohen Standard pflegen und stärken. Sie hat deshalb im letzten Jahr die Strategie für den Zeitraum 2010-2018 verabschiedet.

Ihrer Traktandenliste entnehme ich, dass Sie sich heute auch mit der Verabschiedung von Strategiepapieren befassen. Dazu gratuliere ich Ihnen. Es ist ein Merkmal von erfolgreichen Organisationen, dass sie sich mit strategischen Fragen beschäftigen. Nur wer eine langfristige Perspektive einnimmt kann die Herausforderungen der Zukunft meistern. Eine erfolgreiche Organisation muss wissen, wohin sie will. Das trifft gleichermassen für Regierungen wie auch für Vereine oder Unternehmen zu.

Ein Blick in die Statuten der Pfadibewegung Schweiz hat mir gezeigt, dass eines Ihrer langfristigen – oder eben strategischen Ziele – die “Förderung des staatsbürgerlichen Verantwortungsbewusstseins” ist. Ich finde das ein grossartiges Ziel – und ich habe den Eindruck, dass Sie dieses gut erreichen. Ich möchte Ihnen im Folgenden ausführen, wie ich zu dieser Erkenntnis komme.

Wieso ist die “Förderung des staatsbürgerlichen Verantwortungsbewusstseins” ein grossartiges Ziel? Diese Zielsetzung wird dem Umstand gerecht, dass wir in einem Land leben, welches vom Staatsbürger viel Verantwortung einfordert. Was uns von allen anderen Länder auf der Welt unterscheidet, ist die direkte Demokratie. Wir müssen immer wieder Verantwortung übernehmen, wenn wir an die Urnen gerufen werden. Dann müssen wir Farbe bekennen: Ist es in Ordnung die Mehrwertsteuer zu erhöhen, damit die IV saniert werden kann? Selbst wenn man in der Minderheit war und den Entscheid gerne anders gehabt hätte, man kann nie sagen, “die da oben” hätten wieder irgend einen Quatsch entschieden. Das Volk und damit wir alle stehen mit in der Verantwortung. Der Grundsatz, dass die Bürgerin und der Bürger immer mit in der Verantwortung stehen, findet im Milizgedanken seinen Ausdruck. Das Historische Lexikon der Schweiz hält zu diesem Stichwort fest: “Der Begriff Milizprinzip bezeichnet ein im öffentlichen Leben der Schweiz verbreitetes Organisationsprinzip, das auf der republikanischen Vorstellung beruht, wonach ein jeder dazu befähigter Bürger neben- oder ehrenamtlich öffentliche Ämter und Aufgaben zu übernehmen hat.” Mit anderen Worten: Es ist bei uns in der Schweiz von staatspolitischer Dimension, dass die Bürgerinnen und Bürger Verantwortung übernehmen! Dabei ist Milizprinzip nicht ein alter Hut, auch die heutige Schweiz funktioniert nach wie vor nach diesem Prinzip. Als Regierungsrat bin ich für Bildung, Kultur und Sport im Kanton zuständig. Ich sehe täglich den Einsatz von Milizfunktionären; nicht nur in den Miliz-Schulbehörden, sondern auch in Kunstgesellschaften und einer Vielzahl von Sportvereinen. Der Staat könnte dieses Angebot aus eigener Kraft gar nie bereitstellen. Dabei ist eines klar: Die Freiwilligen und Ehrenamtlichen machen ihre Arbeit mindestens genauso gut wie die Profis. Das belegt nicht zuletzt ein Blick über die Grenzen in andere Länder. Das kommt daher, dass die Freiwilligen oder die Milizler aus dem Hauptberuf Pragmatismus und Lösungsorientierung in ihre Funktionen und Ämter mitbringen.

Kann man daraus nun schliessen, es sei alles in Ordnung? Nein, es gibt auch Gefahren für das Milizprinzip. Oder man könnte auch sagen für die Freiwilligenarbeit oder die Ehrenamtlichkeit generell. Die Gefahr besteht darin, dass wir nicht mehr genügend Leute finden, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Selbstverständlich kamen diese Leute auch früher nicht von alleine – selbst wenn früher vielleicht wirklich noch alles besser war… Das ist Erfahrung Nummer 1: Gute Leute muss man suchen. Das war aber schon immer so.

Die Frage ist: Wo suchen? Bis vor meinem Amtsantritt als Regierungsrat war ich kantonaler Parteipräsident. In einer Partei gibt es typischerweise viel Arbeit, wenig Dankbarkeit und aus Prinzip kein Geld. Dafür Freiwillige zu suchen, ist besonders schwer. Ich habe die Leute gerne dort gesucht, wo sie schon in der Verantwortung standen. Meine Erfahrung ist nämlich, dass diejenigen, die schon vieles am Hals haben, eher zu gewinnen sind, als jene, die vermeintlich mehr Zeit hätten. Am ehesten sagt derjenige zu, der voll zu 100 Prozent arbeitet, daneben im Militär Offizier ist, sich in einem Vereinsvorstand engagiert und in der Freizeit gerne Sport treibt. Und das ist Erfahrung Nummer 2: Freiwilliges Engagement ist eine Frage der Haltung. Und weniger eine Frage der zeitlichen Belastung oder der Ausbildung.

Diese Haltung, etwas mehr zu leisten und Verantwortung zu übernehmen, bildet sich idealerweise bereits im Kindesalter heran. Gefragt ist eine Umgebung, wo man jung Verantwortung übernehmen kann. Eine Umgebung, wo die gestellte Aufgabe auch dem Alter entspricht und wo Unterstützung geboten wird. Eine Umgebung, wo die übernommene Verantwortung zu Erfolgserlebnissen führt und dies auch in Form von Wertschätzung zurück gegeben wird. Und trotzdem muss gerade in jungen Jahren alles auch Spass machen. Auf einen Nenner gebracht: Es muss das Spielerische mit dem Ernsthaften optimal in Verbindung gebracht werden. In so einem Umfeld bekommen Jugendliche Freude an der Verantwortung und am gesellschaftlichen Engagement. Und das ist Erfahrung Nummer 3: Diese Haltung verlieren Sie in der Regel ein Leben lang nicht mehr. Sie ist nachhaltig.

Es gibt viele Vereine und Organisationen, die ein solches Umfeld bieten. Zu den wichtigsten , prominentesten und grössten gehört aber gewiss die Pfadibewegung Schweiz. In Ihrer Organisation lernen junge Menschen Haltungen, die nicht nur für sie selber sondern für die ganze Gesellschaft von allergrösstem Wert sind. Ihr Ziel, das staatsbürgerliche Verantwortungsbewusstsein zu fördern, erreichen Sie meiner Einschätzung nach mehr als gut, nämlich in hervorragender Weise.

Vom Gedeihen der Pfadibewegung Schweiz hängt ein Stück weit auch das Schicksal ungezählter anderer Organisationen ab, die auf Leute angewiesen sind, die gerne Verantwortung übernehmen – egal ob es sich dabei um Vereine, Unternehmungen, Parteien oder andere handelt. Ich hoffe, Sie sind sich Ihrer Bedeutung bewusst und auch stolz darauf.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen bei den anstehenden strategischen Entscheiden eine glückliche Hand und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

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